InfektionsschutzWelche Alternativen gibt es zu Antibiotika?

Um zu verhindern, dass Antibiotika wirkungslos werden, müssen sie umsichtig eingesetzt werden. Darüber hinaus suchen Forscher nach Alternativen. "Der Hausarzt" fasst die wichtigsten Ansätze zusammen.

Medizinisch relevante Bakterien stehen seit mehr als 70 Jahren unter dem Selektionsdruck von Antibiotika. Als Reaktion tauschen Bakterien Resistenzgene durch horizontalen Gentransfer aus. Unter dem aufrechterhaltenen Selektiondsruck verbreiten sich die Resistenzen immer weiter und schneller. In nichtpathogenen Bakterien existiert ein großes Reservoir an Resistenzgenen, die bisher noch nicht an Krankheitserreger weitergegeben wurden. Das könnte sich durch weiter steigenden Selektionsdruck ändern, daher ist es notwendig, Antibiotika umsichtig einzusetzen.

Es gibt zahlreiche Alternativen zu Antibiotika, die derzeit beforscht werden: Bakteriophagentherapie, räuberische Bakterien, Bakteriozine (Proteine, die von Bakterien abgesondert werden und das Wachstum anderer Bakterien hemmen) und kompetetive Verdrängung von Pathogenen. Diese Alternativen haben alle den Vorteil, dass sie, anders als Antibiotika, die natürliche Bakterienflora nicht schädigen.

Bakteriophagentherapie

Die Idee, Bakteriophagen gegen bakterielle Infektionen einzusetzen, wurde schon 1917 entwickelt, geriet jedoch, als das Penicillin in den 40iger Jahren verfügbar wurde, in Westeuropa in Vergessenheit und wurde nur in Osteuropa weiter erforscht. Das 1923 gegründete Eliava-Institut in Tiflis gilt als wichtiges Referenzzentrum: Es erforscht seit seiner Gründung die Phagentherapie und führt erfolgreich Behandlungen und Studien an Menschen durch. Weil die meisten osteuropä-ischen Veröffentlichungen in russischer oder polnischer Sprache sind, sind sie in westlichen Ländern wenig bekannt.

Lytische Bakteriophagen injizieren ihr Erbgut in Bakterien, vermehren sich, zerstören das Bakterium durch Endolysine und setzen so die neuen Phagenpartikel frei (lytischer Zyklus). Während lytische Phagen das befallene Bakterium schnell zerstören, “warten” lysogene Phagen auf ein Signal aus der Umwelt, bevor sie das Wirtsbakterium lysieren. Weil sie Resistenzen auf Bakterien übertragen können, sind sie zur Therapie von Infektionen nicht geeignet.

Phagen sind hochspezifisch gegen einzelne (gram-positive oder Gram negative) Bakterienspezies gerichtet. Das beschränkt gegenüber Antibiotika den Selektionsdruck und die Nebenwirkungen. Phagen können die Blut-Hirn-Schranke durchdringen und Infektionen im ZNS bekämpfen. Einige Phagen können Bio-filme auflösen und die in ihnen siedelnden Krankheitserreger zerstören. Theoretisch könnten mit Ausnahme von intrazellulären Bakterien alle bakteriellen Infektionen mit Phagen behandelt werden. Die Phagentherapie zeigt bisher in den wenigen Studien zur Sicherheit am Menschen keine Nebenwirkungen und auch die Erfahrungen in Polen und Russland erbrachten keine signifikanten Nebenwirkungen. Allerdings waren die meisten Studien, die in Osteuropa durchgeführt wurden, nicht randomisiert. Mehrere randomisierte Phase I/II-Studien untersuchen die Therapie derzeit.

Weil die Phagen sehr selektiv sind, muss vor der Behandlung das verursachende Bakterium sehr zeitaufwändig isoliert und identifiziert werden. Dieses Problem könnte mit “Breitband” Phagen-Cocktails gelöst werden: Sie enthalten unterschiedliche Phagen gegen ein breites Spektrum von Erregern. Ist kein wirksamer Phage bekannt, kann er aus der Umwelt isoliert werden. Die Funktionen zahlreicher Phagengene muss nach Meinung einiger Forscher noch aufgeklärt werden, denn sie könnten gefährliche Nebenwirkungen verursachen. Durch die Lyse der Bakterien könnten bakterielle Substanzen, wie Endotoxine, freigesetzt werden, die eine Entzündungskaskade und schließlich multiples Organversagen verursachen können. Dieses Problem besteht auch bei Antibiotika. Auch könnten die Phagen vom Immunsystem so schnell eliminiert werden, dass ihre Wirkung abgeschwächt ist. Bakterien können Resistenzen auch gegen Phagen ausbilden: Verlust oder Mangel an Rezeptoren, strukturelle Modifikation des Rezeptors und Maskierung des Rezeptors und andere Mechanismen können zu Resistenzen führen. In vivo entwickeln Bakterien nur selten Resistenzen gegen Phagen und die Isolierung von neuen adaptierten Phagen aus der Umwelt bietet eine einfache Lösung.

Bakteriozine

Bakteriozine sind eine sehr heterogene Gruppe von antimikrobiellen Peptiden, die von Bakterien produziert werden und gegen konkurrierende Mikroben gerichtet sind. Sie interagieren mit der bakteriellen Zellmembran, machen sie durchlässig für Ionen und stören so das Membranpotenzial oder sie bilden große Poren, durch die Proteine und andere cytosolische Bestandteile entweichen können. In der Regel benötigen sie keine Rezeptoren, wobei es Ausnahmen gibt. Sie wirken gegen gramnegative und-positive Bakterien aber ihre Wirkung ist nicht sehr stark. Derzeit wird Thuricin näher untersucht: In in-vitro-Versuchen wirkt es gegen C. difficile und Biofilme. Ein Wirkstoff für Patienten ist noch nicht verfügbar.

Probiotika und Stuhltransplantation

Multiresistente gramnegative Bakterien und Vancomycin-resistente Enterokokken können den Gastrointestinaltrakt besiedeln und bilden dann in Krankenhäusern und der Gesellschaft ein großes Erregerreservoir. Das Infektionsrisiko ist natürlich bei besiedelten Patienten hoch. Probiotika können dabei helfen, multiresistente Erreger im Gastrointestinaltrakt zu bekämpfen und einer Besiedlung der Nasenhöhle mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus vorzubeugen, allerdings sind weitere kontrollierte klinische Studien notwendig, um die Wirksamkeit zu untersuchen.

Probiotika sind lebende Organismen, häufig Lactobacillus, Bifidobacterium oder Saccharomyces boulardii, die oral prophylaktisch oder ergänzend gegen viele Krankheiten eingesetzt werden. In der Regel werden sie als Nahrungsergänzungmittel vertrieben, für die nur niedrige Standards gelten.

Probiotika beeinflussen auf mindestens vier Wegen die Darmflora: Sie senken den pH-Wert und stören mit Toxinen das Wachstum von Erregern wie Clostridium difficile. Sie besiedeln zeitweise den Darm und konkurrieren mit den Erregern. Sie verbessern die selbstlimitierende Immunantwort. Lactobacillus-Probiotika führen dazu, dass der Darm mehr Schleim absondert, der die Anheftung von Erregern unterdrückt. Lactobacilli, Bifidobacteria, und Lactococci gelten allgemein als sicher, dennoch wurden in der Vergangenheit Probleme bei besonderen Patientengruppen mit zentralvenösem Katheter, Magensonde oder schweren Komorbiditäten berichtet. Kontrollierte klinische Studien ergaben, dass Probiotika bei Schwangeren, älteren Patienten und schwer kranken Patienten sicher sind. Weitere Studien zur Sicherheit bei besonderen Patientengruppen sind erforderlich.

Bei der Stuhltransplantation (FMT) werden die Bakterien einer gesunden Darmflora übertragen. Clostridium difficile-Infektionen lassen sich so erfolgreich behandeln. Die Darmflora beeinflusst die Antwort der neutrophilen Granulozyten auf zahlreiche Stimuli, trägt lokal zur Immunität gegen Pathogene durch erhöhte Interleukinproduktion bei und beeinflusst die Reaktion auf Verletzungen anderer Organe, wie der Lunge. Es wird angenommen, dass FMT gegen die Besiedlung mit resistenten Bakterien wirken kann, jedoch ist die Studienlage dürftig und mehrere Studien laufen gerade.

Quellen:

  • Xavier Wittebole, Sophie De Roock & Steven M Opal (2014) A historical overview of bacteriophage therapy as an alternative to antibiotics for the treatment of bacterial pathogens, Virulence, 5:1, 226-235, doi: 10.4161/viru.25991
  • Heather K. et al.: Lternatives to Antibiotics: Why and how. NAM Perspectives. Discussion Paper, National Academy of Medicine, Whashington DC
  • Brunel A-S et al: Multidrug resistant (or antmicrobia-resistant) pathogens – alternatives to new antibiotics? Swiss Med Wkly. 2017;147:w14553
  • Pilar Domingo-Calap et al: Bacteriophages: Protagonists of a Post-Antibiotic Era. Antibiotics 2018, 7, 66; doi: 10.3390/antibiotics7030066
  • Rodney H. et al: Circular and Leaderless Bacteriocins: Biosynthesis, Mode of Action, Applications, and Prospects. Front. Microbiol. (2018) 9:2085. doi: 10.3389/fmicb.2018.02085
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