Aus Wissenschaft und ForschungHA 12/22: Die DEGAM informiert

Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) stellt die neuesten medizinischen Erkenntnisse vor, die für den Praxisalltag der Hausärztinnen und Hausärzte relevant sind.

Was tut sich in der Forschung?

Jeder Schritt zählt

Durch Fitnesstracker, Smartwatches und Apps auf dem Handy können Menschen heutzutage unkompliziert ihre Schrittzahl erfassen und damit ihre körperliche Aktivität messen. Es wäre daher nützlich, evidenzbasierte Empfehlungen geben zu können, wie viele Schritte tatsächlich gesundheitliche Vorteile bringen.

Eine Metaanalyse hat versucht, dies aus den Daten von 15 Einzelstudien zu berechnen. Dabei identifizierten die Wissenschaftler durch aufwendige Recherche auch acht unveröffentlichte Studien. Insgesamt werteten sie die Daten von 47.471 Personen (mittleres Alter: 65 Jahre; 68 Prozent Frauen) bzw. 297.837 Personenjahre und 3.013 Todesfälle aus. Die durchschnittliche Schrittzahl der Teilnehmenden betrug 6.495/Tag.

Die Mortalität nahm mit höherer Schrittzahl ab, die niedrigste Mortalität wurde bei 7.000-9.000 Schritten beobachtet. Bei über 60-Jährigen verringerte sich die Mortalität bereits ab einer Schrittzahl von 6.000-8.000/Tag nur noch wenig, bei unter 60-Jährigen ab einer Schrittzahl von 8.000-10.000/Tag. Die Schrittgeschwindigkeit, die in manchen Studien erhoben wurde, spielte für die Mortalität keine Rolle, ebenso wenig zeigten sich unterschiedliche Effekte für Männer und Frauen.

Fazit: In dieser Metaanalyse zeigte sich eine reduzierte Mortalität mit steigender Schrittzahl ohne einen unteren Schwellenwert und mit einer altersabhängigen Plateaubildung bei Schrittzahlen zwischen 6.000 und 10.000. Daraus sollte vermutlich weniger der Schluss gezogen werden, von höheren Schrittzahlen abzuraten – aber umgekehrt können weniger Aktive ermuntert werden, dass auch bereits relativ geringe Schrittzahlen zu längerem Leben führen.

Quelle: DOI 10.1016/S2468-2667(21)00302-9

Work-Life-Balance in Hausarztpraxen

“Work-Life”–Konflikte sind in der medizinischen Arbeitswelt häufig, begünstigen Burn-out und können damit auch die Patientenversorgung beinträchtigen. Arbeitsplatzzufriedenheit und “Work-Life-Balance” sind am Arbeitsplatz Hausarztpraxis nur wenig untersucht, sind aber in Zeiten drohender und bestehender Unterversorgung hochrelevant.

“Work-Life-Balance” ist dabei sachlich ein nicht ganz korrekter Begriff, da wir Arbeit nicht getrennt vom Leben betrachten können. In psychologischen Erhebungsinstrumenten wird daher präziser von Arbeits-Privatleben-Konflikten gesprochen.

Mithilfe der Daten der Basiserhebung einer cluster-randomisierten Studie zur Verbesserung der Arbeitszufriedenheit in Hausarztpraxen in Nordrhein haben Wissenschaftler untersucht, wie sich Voll- versus Teilzeittätigkeit und Selbstständigkeit versus angestellte Tätigkeit auf die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf und auf die Arbeitszufriedenheit auswirken.

In 60 hausärztlichen Praxen wurden Daten von 112 Ärztinnen und Ärzten (davon 28 angestellt) und 254 Medizinischen Fachangestellten erhoben und ausgewertet. Vollzeitarbeitende gaben dabei mehr Arbeit-Privatleben-Konflikte an als Teilzeitarbeitende und selbst Niedergelassene mehr als angestellt ärztlich Tätige und MFA.

Während insgesamt Männer mehr Unvereinbarkeit angaben, waren in der Gruppe der Teilzeitarbeitenden Frauen mehr von Arbeits-Privatleben-Konflikten betroffen. Mehr Unvereinbarkeit war mit niedrigerer Arbeitszufriedenheit assoziiert.

Fazit: Teilzeitarbeit und angestellte Tätigkeit in Hausarztpraxen ist mit besserer Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und mehr Arbeitsplatzzufriedenheit verbunden. Daher kann es sinnvoll sein, in der Versorgung vermehrt die Möglichkeiten zu schaffen, in Teilzeit und/oder angestellt tätig zu sein.

Quelle: DOI 10.3390/ijerph19052618

Weiterbildung heute: Update aus den Kompetenzzentren

Die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin ist besonders: Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (ÄiW) rotieren durch verschiedene Fächer in Kliniken und ambulanten Einrichtungen. Daher haben sie seltener „gleich gesinnte“ Arbeitskollegen um sich und es fehlt der fachliche und emotionale Austausch.

Für die ambulante Tätigkeit benötigen angehende Hausärztinnen und Hausärzte zusätzlich Kompetenzen wie Praxisorganisation oder Mitarbeiterführung. Auch der interkollegiale Austausch unter weiterbildungsbefugten Ärztinnen und Ärzten (WBB) ist, abgesehen vom Austausch innerhalb des Praxisteams oder in praxisübergreifenden Qualitätszirkeln, im Praxisalltag häufig anders als in anderen Disziplinen.

Um erfahrene und angehende Hausärztinnen und Hausärzte gleichermaßen zu unterstützen und die Weiterbildung in Qualität und Effizienz zu verbessern, wurden seit 2017 bundesweit die Kompetenzzentren mit drei Kernaufgaben etabliert:

  • Die Kompetenzzentren vermitteln ÄiW in einem begleitenden Seminarprogramm praxisrelevante Kerninhalte der allgemeinmedizinischen Weiterbildung.
  • In Train-the-Trainer-Programmen werden Angebote für WBB, Mentorinnen und Mentoren sowie Referierende angeboten. Dabei entsteht eine Vernetzung der WBB untereinander.
  • Ein Mentoring-Angebot für ÄiW rundet das Angebot der KW ab: ÄiW erhalten die Gelegenheit, Themen zu besprechen, die auch abseits des Curriculums für die individuelle Entwicklung und den Aufbau einer hausärztlichen Identität wichtig sind. Sie können mit dem nächstgelegenen KW einfach in Kontakt treten unter: www.desam.de/kompetenzzentrenweiterbildung

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