Arzt im Dritten ReichWider das Vergessen

Die "Führerschule der deutschen Ärzteschaft" hat ab 1935 junge Ärzte und Funktionäre im mecklenburgischen Alt Rehse "auf Linie" gebracht. Heute ist der Ort eine wichtige Gedenkstätte – doch die Finanzierung bereitet zunehmend Sorge.

Junge Ärzte treffen sich zur Versammlung vor dem Schlafhaus der „Führerschule“

Schon ein Blick auf die Liste der Dozenten verrät viel über die Atmosphäre – und Lehrinhalte – in Alt Rehse. Rudolf Hess, Stellvertreter von Adolf Hitler, Chef-NSDAP-Ideologe Alfred Rosenberg, SS-Reichsführer Heinrich Himmler: Es sind nur drei der mitunter prominenten 210 Dozenten, die an der “Führerschule der deutschen Ärzteschaft” gelehrt haben.

Auch wenn der Titel auf den ersten Blick anderes vermuten lässt: Das Ziel der “Schule” im mecklenburgischen Alt Rehse war keine medizinische Aus- oder Weiterbildung. Vielmehr sollten vor allem ärztliche Funktionäre und Jungärzte zu nationalsozialistischen “Gesundheitsführern” ausgebildet werden. “Über die ,Schulung’ in Alt-Rehse ist jedes Wort zu viel”, heißt es in einem Zeitzeugenbericht, zur Verfügung gestellt von Hausarzt Dr. Thomas Maibaum. “Es genügt zu wissen, daß man dort die Ärzte wie Schulbuben behandelt und sie zwingt, mit Schrubber und Besen die Stuben aufzuwaschen. Die ,Schulung’ besteht aus Parteikram ödester Konvenienz …” Auf dem Stundenplan standen körperliche Übungen und Volkslieder – “und zwar in einem Ausmaß, daß Fachgespräche außerhalb der Unterrichtsräume verpönt waren”. Lediglich in “Erbforschung” und “Rassenhygiene” wurde auch “ausgebildet”, belegen Dokumente.

Bis 1941 erfolgte so die “weltanschauliche Schulung” von rund 9.000 Ärzten, Hebammen und Apothekern. Zudem wurden etwa 1.000 ausländische Gäste aus über 50 Staaten eingeladen, um Gesundheitspolitik und ärztliche Fortbildung zu demonstrieren.

Gedenkstätte sucht nach Geldern

Heute stehen die Gebäude an der Mecklenburgischen Seenplatte auf der Denkmalliste des Landes. 2008 hat der Verein Erinnerungs-, Bildungs- und Begegnungsstätte Alt Rehse e. V. (EBB) das Gutshaus erworben. Ziel ist es, eine moderne Gedenkstätte mit Seminarräumen und Bibliothek entstehen zu lassen. Aktuell ist beabsichtigt, das sogenannte Limnologische Institut, ein ehemaliges Laborgebäude, für rund zwei Millionen Euro entsprechend umzubauen. “Alt Rehse ist der einzige Ort in Deutschland, in dem die Kollektivtäterschaft der deutschen Ärzte so komprimiert darstellbar ist”, heißt es zur Begründung im Antrag für die Bundesgedenkstättenförderung.

Aus genau diesem Grund hat das Projekt auch für Hausarzt Maibaum, niedergelassen im rund 130 Kilometer entfernten Rostock, eine herausragende Bedeutung. Die in seinen Augen einzigartige Gedenkstätte erinnere an “den Ort der ärztlichen-nationalsozialistischen Indoktrination” schlechthin. “Dass damit untrennbar auch ein Betrieb einer Bildungsstätte verbunden ist, ist gedenk- und bildungspolitisch eine Selbstverständlichkeit”, meint er.

Für seine “Herzensangelegenheit” macht sich Maibaum unter anderem in der Kammerversammlung in Mecklenburg- Vorpommern stark. Denn: Der Verein war und ist auf Spendengelder angewiesen.

KBV hat Förderung beendet

Darüber hinaus sei jedoch ein “klares Bekenntnis der organisierten Ärzteschaft” nötig, damit Fördergelder aus Landes- und Bundesministerien fließen können, weiß Maibaum. Doch genau dieses fehle aktuell. Während des Aufbaus der Lernstätte hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) das Projekt fünf Jahre lang mit 60.000 Euro pro Jahr gefördert. Doch die Vertreterversammlung beschloss Ende 2017, der KBV-Vorstand solle ein neues Konzept zur Aufarbeitung der eigenen Geschichte vorlegen. Daraufhin startete ein Pilotprojekt beim Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, um die Historie der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands (KVD) – der KBV-Vorgängerin – im Nationalsozialismus zu erforschen, erklärt KBV-Sprecher Dr. Roland Stahl. Doch: Seither wird die Beteiligung an Alt Rehse nicht fortgeführt. Zwar unterstützen andere Institutionen noch im Rahmen von Fördermitgliedschaften. Die Bundesärztekammer etwa fördert Alt Rehse eigenen Angaben zufolge – zeitlich unbefristet – mit 3.000 Euro jährlich. Auch die Berliner Ärztekammer oder die KV Mecklenburg-Vorpommern zählen zu den Förderern.

Aber: “Für den Erhalt der Gedenkstätte ist der Verein immer noch auf der Suche nach einer finanziellen Unterstützung, um zugesagte öffentliche Gelder zu bekommen”, weiß Maibaum. Er selber spende seit Anfang des Jahres das Gehalt für seinen Vorstandsposten in der Landesärztekammmer in Höhe von 500 Euro pro Monat. “Wenn eine Gesamtsumme in Höhe der alten KBV-Förderung von 60.000 Euro wieder zusammen kommt, reicht dies wohl.” Maibaum hofft dazu auf Unterstützung durch ärztliche Kollegen oder Gremien – nicht zuletzt richtet sich das Angebot in erster Linie an Ärzte und Medizinstudenten.

 

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