Einige wirken auf den ersten Blick ganz unscheinbar: Zur Seite gerollt, scheint ein Mann gerade nur einen Mittagsschlaf zu halten, eine Frau hat den Mund entspannt geöffnet. Bei anderen wird deutlicher, dass dies kein gewöhnlicher Moment ist. Ein Hobby-Narr im Karnevalskostüm, eine in Bananenblätter gewickelte Frau, eine andere hält eine Blume an die Brust gedrückt.
Es ist der Moment ihres Begräbnisses – wie ihn sich Lebende vorstellen. In ihrem “letzten Hemd” haben sich 50 Menschen für die gleichnamige Ausstellung der privaten Trauerakademie Fritz Roth von Fotograf Thomas Balzer ablichten lassen – mal im Lieblingskleid, mal im edlen Anzug, mal im Fußballtrikot.
“Die Bilder machen oft sichtbar, was den Menschen schon im Leben wichtig war”, bringt es Klaus Reichert auf den Punkt. Auch der Pressesprecher des Bestattungshauses hat – wie zahlreiche Familienmitglieder und Angestellte des Traditionsunternehmens – Modell gelegen. Auf der großformatigen Fotografie, die heute Teil der Wanderausstellung ist, trägt er eine Sonnenbrille. Schließlich höre man immer wieder vom hellen Licht beim Gang auf die “andere Seite”. Dabei sei zweitrangig, wer die Abgebildeten seien, betont Reichert – es gehe bei dem Kunstprojekt allein darum, was zu sehen ist.
Ziel: Eigene Endlichkeit zeigen
Und das ist nicht nur, was den Menschen im Leben wie im Tod wichtig ist, sondern auch das traditionelle Mahnmal des buchstäblichen letzten Hemdes. Dieses lag in alten Zeiten vom Tag der Hochzeit an sauber gefaltet auf dem Hemdenstapel im Schrank – und zwar ganz oben. So musste man es jeden Tag ansehen, anfassen. Ein Memento mori also, ein kleiner, selbst inszenierter Augenblick des kommenden Todes.
Heute ist der Brauch verschwunden und die eigene Sterblichkeit nicht selten aus dem Blickfeld gerückt, mitunter gar bewusst verdrängt worden. Die Ausstellung soll sie zurückholen. Andererseits will sie den Blick auf die deutsche Bestattungskultur lenken: Dass die unpersönlichen Totenhemdchen mit dem Begräbnis oft “automatisch” mitverkauft werden, kann man beim Bergisch-Gladbacher Bestattungshaus Pütz-Roth nicht verstehen.
Sofern dies zu Lebzeiten festgelegt ist, ist eine Beisetzung etwa im Lieblingssommerkleid oder der Tracht des Heimatortes in Deutschland problemlos möglich; lediglich das Begräbnis im Sarg ist vorgeschrieben. David und Hanna Roth, die das Bestattungsunternehmen samt Trauerbegleitung von Vater Fritz übernommen haben, wollen die vorhandenen Spielräume nutzen. Denkbar sei vieles, bis hin zum Anfertigen von Totenmasken oder Sargbemalungen durch die Angehörigen im Werkstattbereich des Hauses.
“Vorsorge” auch fürs Begräbnis
Voraussetzung dafür ist jedoch das frühe Gespräch. “Das ideale Vorsorgegespräch wird geführt, wenn noch genügend Zeit bleibt, wenn kein Trauerschmerz lähmt”, erklärt Geschäftsführer David Roth. “So kann in Ruhe und ohne Druck vieles geregelt werden, was im Falle des Todes entschieden werden muss.” Es ist eine Idee, die im ärztlichen Bereich dem Advanced Care Planning ähnelt.
Pütz-Roth bietet gezielt “Vorsorgegespräche” an, ein Bestattungsvorsorgevertrag kann sich neben Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht einreihen.
Hausärzte begleiten bis zum Tod
Die Anstöße für die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit können dabei vielfältig sein. Roth etwa ist auch in der Hospizarbeit aktiv und im Zuge dessen im regelmäßigen Austausch mit Ärzten in der Region. Mit seiner Trauerakademie macht er in verschiedenen Projekten auf Leben und Tod aufmerksam.
“100 Koffer für die letzte Reise” nannten die Bestatter ihre letzte Aktion: 100 leere Koffer wurden an Menschen versandt, damit diese überlegen, was sie auf ihre letzte Reise mitnehmen würden.
“Wir benötigen eine offene Gesprächskultur”, erklärt Roth. Mit seinem Bestattungshaus und der Trauerakademie sei er zentraler Akteur an der Schnittstelle zwischen Leben und Tod – dort, wo auch Hausärztinnen und Hausärzte eine wichtige Rolle spielen. “Hausärzte wissen am besten, in welchem Zustand ein Mensch ist”, fasst es Reichert zusammen.
Entsprechend ermutigt er Ärzte dazu, Patientinnen und Patienten frühzeitig auf die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit und damit auch ganz praktischen Fragen wie der gewünschten Art der Bestattung anzusprechen. “Hausärztinnen und Hausärzte sind es schließlich, die dann bis zum Tod begleiten.” Reichert weiß das aus eigener Erfahrung: Bei der Trauerfeier für seinen Vater war der Hausarzt Gast der Familie.