BosnienPrimärarztsystem in Gefahr?

Neues Jahr, neue Regierung: In Bosnien positioniert sich aktuell das im Oktober gewählte Präsidenten-Trio. Medizinische Versorgung ist nur ein Randthema – dabei konnten mit einer Reform bereits wichtige Schritte gegangen werden.

Blick über Sarajevo: In der Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina leben vor allem muslimische Bosniaken.

Dr. Mirsad Djugum gehört zu den “vielleicht fünf Prozent der Bevölkerung, denen es gut geht”: Der Facharzt für Innere Medizin ist in einer privaten Poliklinik in Sarajevo tätig. “Von vielen Kollegen weiß ich aber, dass die Arbeitsbedingungen in unserem Gesundheitssystem alles andere als attraktiv sind”, sagt er.

Dass sich mit den jüngsten Präsidentschaftswahlen in Bosnien-Herzegowina daran etwas ändert, sieht er nicht. “Auf Staatsebene stehen momentan andere Themen auf der Agenda als Gesundheit.”

Mit den Wahlen Anfang Oktober hatte der Balkanstaat kurzzeitig internationale Aufmerksamkeit gewonnen – nicht zuletzt aufgrund seines äußerst komplexen Wahlsystems: Denn im Staatspräsidium muss jeweils ein Vertreter aller drei im Land lebenden Nationen – muslimische Bosniaken, orthodoxe Serben, katholische Kroaten – vorhanden sein.

Es ist ein kompliziertes Institutionengeflecht, das nach dem Krieg der Jahre 1992 bis 1995 geschaffen wurde – einst, um Gerechtigkeit wiederherzustellen, in der Realität jedoch oft Manifestation der ethnischen Spaltung des Landes.

Ziel: Mitgliedschaft in der EU

Die Präsidentschaftswahlen, so lautete im Vorfeld die große Hoffnung, sollten einen Paradigmenwechsel einleiten: weg von der ethnischen Spaltung, hin zu einem geeinten Bosnien-Herzegowina auf dem Weg zum EU-Mitgliedsstaat.

“Wir müssen so schnell wie möglich Mitglied in EU und NATO werden”, betonte vor den Wahlen auch Šefik Džaferović, Kandidat der regierenden bosnischen Partei (SDA), bei einem Besuch internationaler Journalisten.

Dass mit der Wahl Džaferovićs sowie seinem serbischen Amtskollegen Milorad Dodik jedoch zwei Nationalisten im dreiköpfigen Präsidium sitzen, stimmt Beobachter mit Blick auf diese proeuropäische Hoffnung kritisch.

Und auch bis alle Anforderungen für einen EU-Beitritt getroffen werden, ist es teils noch ein weiter Weg – nicht nur mit Blick auf Wirtschaftskraft, Arbeitslosigkeit oder Korruption.

Familienmedizin hat sich etabliert

“Im Gesundheitswesen etwa wurden durchaus wichtige Reformen angeschoben”, betont Premierminister Deniz Zvidzić. So würden wichtige Kriterien wie Bett- und Klinikzahl oder Arztdichte zwar in Teilen erfüllt. “Für den EU-Beitritt müssen wir aber auch sicherstellen, dass Primärversorgung für jeden Bürger erreichbar ist. Dazu braucht es Nachbesserungen im Krankenversicherungssystem, aber auch eine ausreichende Zahl gut ausgebildeter Ärzte.”

Nach einer umfassenden Reform ist das öffentliche Gesundheitssystem in Bosnien-Herzegowina heute auf drei Ebenen organisiert. Neben lokalen Erste-Hilfe-Zentren und Kliniken machen Gesundheitszentren (“dom zdravlja”) die tragende Säule aus.

Hier arbeiten Allgemeinmediziner mit Spezialisten zusammen, die Zentren sind Dreh- und Angelpunkt des 2008 etablierten Familienmedizinsystems: Seither hat jede Familie ihren eigenen Hausarzt.

Der Schritt in Richtung Primärarztsystem war sowohl für Ärzte als auch für die Patienten Neuland, und doch: Schon Ende 2010 war laut Weltbank-Bericht für 58 Prozent der Bevölkerung der Hausarzt ihr erster Ansprechpartner. Weiteres Zeichen auf diesem Weg: Im April vergangenen Jahres fand der erste Kongress für Familienmedizin im Land statt.

Aber: Genau die von Premierminister Dzedić angesprochenen benötigten Ärzte fehlen zuhauf. Bosnien kämpft gegen einen massiven Ärztemangel, Kammerpräsident Dr. Harun Drljevic spricht immer wieder vom “drohenden Kollaps” des Gesundheitssystems.

Es ist vor allem die Abwanderung, die das Problem verschärft: Allein zwischen Juni 2013 und März 2016, zeigen Zahlen des Gesundheitsministeriums, sind 4.213 Bosnier nach Deutschland gegangen, um im hiesigen Gesundheitssektor zu arbeiten – insgesamt seien es mehr als 10.000 Ärzte und Pflegefachkräfte. Bei weniger als 7.000 verbleibenden Fachärzten im Land hat das deutliche Konsequenzen, unterstreicht Ärztechef Drljevic.

Die EU, argumentiert er, biete zwar Chancen für das bosnische Gesundheitssystem – der Beitritt dürfe jedoch nicht dazu führen, dass allein der Fachkräftemangel in westlichen Ländern gestillt wird. “Unsere Politiker sollten unser eigenes Gesundheitssystem nicht vergessen, wenn sie über Europa sprechen.”

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