Medizinhistorische SchlaglichterDie Cholera

Im 19. Jahrhundert kam es weltweit immer wieder zu Cholera-Epidemien. 1892 erkrankten etwa in Hamburg über 16.000 Menschen. Mehr als 8.000 Patienten starben während der zehnwöchigen Epidemie. Dass diese Seuche durch verunreinigtes Wasser übertragen wurde, fand ein Londoner Geburtshelfer in detektivischer Kleinarbeit heraus.

Desinfektion der Straßen während einer Cholera-Epidemie. (Hans Schwarz Collection, 1877)

Sommer 1892 in Hamburg. Es ist außergewöhnlich heiß. Die Pegel-stände der Elbe und der Fleete sind extrem niedrig, das Wasser ist sehr warm. Der erste Patient am 14. August ist ein Kanalarbeiter namens Sahling. Er leidet unter starkem Brechdurchfall und stirbt kurz nach der Aufnahme ins Krankenhaus. In den kommenden Tagen gibt es weitere Fälle von Brechdurchfall. Die Ärzte vermuten: Cholera.

Doch die Verantwortlichen zögern, es passiert nichts. Der Leiter des Krankenhauses Eppendorf wird sogar offiziell gebeten, kein Aufsehen zu erregen. Mehr und mehr Patienten erkranken. Am 22. August gelingt dann der wissenschaftliche Nachweis: In Hamburg ist wirklich die Cholera ausgebrochen. Einen Tag später meldet Hamburg dem kaiserlichen Gesundheitsamt in Berlin den Ausbruch der Epidemie.

Cholera gab es Ende des 19. Jahrhunderts auch in anderen deutschen Städten. Doch nirgends verlief eine Epidemie so dramatisch wie in Hamburg. Im Jahr 1892 erkrankten hier innerhalb von zehn Wochen insgesamt 16.596 Menschen, 8.605 von ihnen starben. Betroffen waren vor allem die armen Viertel mit ihren engen Gassen, schmutzigen, dunklen Hinterhöfen und feuchten Kellerwohnungen. Die sanitären Einrichtungen waren, wenn überhaupt vorhanden, äußerst mangelhaft, die hygienischen Bedingungen unvorstellbar schlecht.

Robert Koch reiste als Vertreter der Reichsregierung in die Hafenstadt. “Als ich nach Hamburg kam, glaubte ich, ein paar Kranke anzutreffen, von denen man nicht recht wüsste, ob sie die Cholera hätten oder nicht. Aber wie anders habe ich es gefunden. Überall Menschen, die noch wenige Stunden vorher vor Gesundheit strotzend lebensfroh in den Tag hinein gelebt hatten, und nun in langen Reihen dalagen.” So schilderte Robert Koch in einem Brief am 25. August 1892 die Cholera-Epidemie in Hamburg.

Millionen Menschen starben

Ursprünglich stammt die Cholera aus Asien. Schon in der Antike wurde in Indien eine Krankheit beschrieben, die der Cholera ähnelt. 1817 kam es zu einem besonders gravierenden Ausbruch in Indien. Schnell verbreitete sich die Seuche in den Ländern Südostasiens bis zur arabischen Halbinsel. Hunderttausende starben, oft innerhalb weniger Stunden. Heftiges Erbrechen und wässriger Durchfall führten zu starker Dehydratation. Durch den Verlust an Elektrolyten kam es zu Herzrhythmusstörungen bis zum Herzstillstand. Erst 1823 klang die erste Cholera-Pandemie wieder ab.

Im 19. Jahrhundert zog diese neue Krankheit aus dem Osten um die Welt unter dem Namen “asiatische Cholera”. Sie wurde wie im Mittelalter die Pest die am meisten gefürchtete Seuche dieser Zeit. Während der zweiten Pandemie in den Jahren 1829 bis 1833 erreichte die Cholera auch Europa. Die dritte Pandemie war die schlimmste. Sie begann 1852 in Indien und breitete sich innerhalb von sieben Jahren auf der ganzen Welt aus. Mehr als eine Million Menschen starben damals an der Cholera.

Aber wie konnte sich diese Seuche so rasch verbreiten? Es war auffallend, dass vor allem Arme erkrankten. Auch, dass die Cholera nicht so ansteckend war wie frühere Seuchen. Ärzte, die Patienten behandelten, erkrankten nicht selbst daran. Was also war es? Der ungesunde Lebenswandel der Armen? Faulige Luft?

Die Ehre, das aufzuklären, fiel dem Londoner Geburtshelfer und Pionier der Anästhesie John Snow (1813 bis 1858) zu. Snow nahm an, dass die Ursache oral aufgenommen werden musste. Schließlich betrafen die ersten Symptome das Verdauungssystem. Er vermutete, dass mit Kot verunreinigtes Wasser Ursache der Krankheit ist. Snow machte sich dann in detektivischer Kleinarbeit daran, das zu beweisen.

Behörden und Forscher blieben lange skeptisch

1854 grassierte die Cholera in England. Insgesamt 23.000 Menschen starben. Im Juli erreichte die Seuche London. Zwischen dem 29. August und dem 11. September starben fast 700 Menschen in einem kleinen, überbevölkerten Teil von Soho, wo Snow als Arzt arbeitete. Er zeichnete jeden Fall in einer Karte auf. So fand er heraus, dass sich die Fälle im Umkreis von 450 Metern um eine Wasserpumpe in der Broad Street häuften. Snow informierte die Behörden und überredete sie, den Schwengel der Pumpe zu entfernen. Drei Tage später war die Epidemie in dem Viertel vorbei.

Dennoch blieben Behörden und Wissenschaftler skeptisch und glaubten lieber daran, dass Miasma, also schlechte, faulige Luft die Cholera auslöst. Nur langsam setzte Snow sich damit durch, dass dreckiges Wasser und verunreinigtes Abwasser hinter der Seuche stecken und dass ein sicheres Abwassersystem und gute hygienische Bedingungen vor der Krankheit schützen.

Zu dieser Zeit entdeckte der italienische Wissenschaftler Filippo Pacini den Cholera-Erreger. Er hatte Darmschleimhaut von Patienten unter dem Mikroskop untersucht und kommaförmige Organismen entdeckt, die er nach dem lateinischen Wort für Komma “Vibrio” nannte. 1854 veröffentlichte Pacini seine Entdeckung. 1884 gelang es Robert Koch, Cholera-Bakterien zu isolieren und anzuzüchten. Er fand auch heraus, dass sich die Cholerabazillen unter warmen, feuchten Bedingungen vermehren und bestätigte damit Snows Erkenntnisse aus der Praxis.

Snows Methoden werden übrigens noch heute bei epidemiologischen Studien eingesetzt.

Die spanische Grippe

Die Epidemie im Jahr 1892 in Hamburg war zwar die letzte Cholera-Epidemie in Deutschland, aber es war nicht die letzte Epidemie. Besonders gravierend war die “Spanische Grippe” von 1918. Allein in Köln starben im Oktober 1918 mehr als 450 Menschen zwischen 10 und 40 Jahren.

Die Epidemie war zunächst, im März 1918, in den USA bekannt geworden und breitete sich mit den Truppenbewegungen während des Ersten Weltkrieges rasant aus. Das Influenzavirus A/H1N1 ging um die ganze Welt. Mit Kriegsende kam die Epidemie zunächst zum Erliegen. Es ist möglich, dass es die Straßenfeste waren, auf denen der Frieden gefeiert wurde, durch die die Grippe zwischen Ende 1918 und Mitte 1919 wieder aufflammte.

Bis dahin war ein Drittel der Weltbevölkerung erkrankt, zwischen 3 und 5 Prozent waren gestorben. Weltweit starben etwa 50 Millionen Menschen an der “Spanischen Grippe”. Manche Forscher vermuten, es waren eher 20 Millionen, andere gehen dagegen von 100 Millionen Toten aus. Genau ist das nicht bekannt. Nie zuvor jedoch starben so viele Menschen in so kurzer Zeit an einer Infektion.

Quellen u.a.:

  • Eckart, Wolfgang: “Geschichte der Medizin”, Springer- Lehrbuch.
  • ndr.de: “1892: Die Cholera wütet in Hamburg”. 2017
  • Paul, Gill: “Die Geschichte der Medizin in 50 Objekten”. Haupt Verlag, Bern, 2016.
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