Berlin. Die Hälfte der bleibtesten zehn individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) für gesetzlich Versicherte hat der IGeL-Monitor negativ bewertet. Das geht aus einer Umfrage im Auftrag des IGeL-Monitors unter 2.072 GKV-Versicherten hervor, die er am Donnerstag (3. Mai) vorgestellt hat. Immerhin: Nur etwa ein Drittel (36 Prozent, 748 Befragte) der Teilnehmer bekam demnach in den vergangenen drei Jahren vom Arzt Selbstzahlerleistungen angeboten oder hatte diese selbst beim Arzt angefragt.
Der IGeL-Monitor ist eine Einrichtung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDS), der IGeL evidenzbasiert bewertet und Versicherte laienverständlich über deren Nutzen und Schaden informiert. Erstmals hat der Monitor auf Basis der Umfrage eine Top 10 der häufigsten IGeL erstellt.
Meist offerieren demnach Ärzte die IGeL, nur vier Prozent der Teilnehmer haben von sich aus danach gefragt. Etwa jeder Fünfte der 748 Betroffenen (22 Prozent) boten Ärzte eine Augeninnendruckmessung zur Glaukom-Früherkennung an, fast genauso oft einen Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung (19 Prozent). Auf Platz drei rangiert die Sonografie der Brust (zwölf Prozent), gefolgt vom PSA-Test zur Krebsfrüherkennung (sieben Prozent).
Früherkennung auf Eierstockkrebs nutzt nicht, aber schadet
Alle vier Leistungen schneiden beim IGeL-Monitor schlecht ab: Eine Sonografie der Eierstöcke bewertete er als einzige mit „negativ”. Auch die 2017 aktualisierte S3-Leitlinie zu Ovarialtumoren rät von einem Screening auf Eierstockkrebs bei Frauen ohne Beschwerden und selbst bei erhöhtem Krebsrisiko ab. Sie verweist dazu auf eine Studie mit 80.000 Frauen, die ergeben hat, dass die Frauen mit der Früherkennungsuntersuchung nicht länger leben als ohne und drei von 100 aus der Früherkennungs-Gruppe aufgrund eines falsch-positiven Ergebnisses die Eierstöcke entfernt wurden.
Die Augeninnendruckmessung und den PSA-Test bewertet der IGeL-Monitor mit „tendenziell negativ”. Beim PSA-Test heißt es beispielsweise, dass die Studienlage nicht ganz eindeutig ist: Der IGeL-Monitor sieht Hinweise für einen Nutzen genauso wie Belege für einen Schaden. „Auf einen Mann, der dank PSA-Test nicht an Prostatakrebs stirbt, kommen vermutlich 30 Männer, die unnötig behandelt werden.”
Den Ultraschall zur Brustkrebsfrüherkennung stuft der IGeL-Monitor als „unklar” ein. Denn es gebe bisher keine Studien, die untersucht haben, ob die Untersuchung dazu führe die Sterblichkeit zu senken. Hingegen sei aber anzunehmen, dass man so kleine Knoten entdecke, die weitere belastende Untersuchungen nach sich ziehen und womöglich behandelt werden, obwohl dies nicht nötig wäre.
Empfehlungen kommen bei Ärzten nicht an
Der MDS schließt insgesamt aus der Umfrage, dass die wissenschaftlichen Empfehlungen oft nicht in der Arztpraxis ankommen. Mehr als jeder Dritte habe angegeben, dass er sich von Ärzten unter Druck gesetzt gefühlt habe, als er ihm eine IGeL anbot. Patienten solle zwischen dem Angebot des Arztes und der Leistungserbringung eine vierzehntägige Bedenkzeit eingeräumt werden, forderte die Deutsche Stiftung Patientenschutz.
Der GKV-Spitzenverband kritisierte anlässlich der Ergebnisse, dass aus Arztpraxen „Verkaufsstuben für meist nutzlose Zusatzangebote” würden, twitterte Pressesprecher Florian Lanz. Daraufhin konterte Roland Stahl, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): „Für Versicherte gilt: Aufgepasst, wenn eure Krankenkasse homöopathische Leistungen bezahlt: Die haben keinen Nutzen und werden aus euren Beiträgen bezahlt.”
Ratgeber für Ärzte
Seit 2012 stellen 14 ärztliche Organisationen, darunter auch der Deutsche Hausärzteverband, einen Ratgeber für Ärzte zur Verfügung, der klare Regeln für einen vertrauensvollen Umgang mit IGeL in der Praxis festlegt. Darin findet sich etwa eine Checkliste für Ärzte und Patienten, anhand derer beide Seiten prüfen können, ob sie angemessen beraten oder beraten wurden.
Für Ärzte wird etwa betont, dass man neutral über Nutzen und Schaden aufklären sowie auf weitere wissenschaftliche Belege verweisen soll. Zudem sollen sie auf Patienten keinen Druck ausüben und ihnen genug Bedenkzeit einräumen.